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Fachtagung zum Thema Patientenrechte

Text Tagung

„Gute Rahmenbedingungen in der psychiatrischen Versorgung! – Was können Beschwerdestellen, Patientenfürsprecher und Besuchskommissionen für die Rechte der Patienten beitragen?“ am 8. Oktober 2019 in der Vitos Klinik in Marburg
 
Rund 90 Personen aus dem gesamten Spektrum der psychiatrisch/psychosozialen Versorgung in Hessen und aus anderen Bundesländern waren in Marburg auf Einladung des Landesverbandes Hessen der DGSP und des Vereins Ex-In Hessen Marburg zusammen gekommen. Darunter viele Mitglieder der neu installierten Besuchskommissionen, aus der Beschwerdestellenarbeit und Patientenfürsprecherinnen und –sprecher. Dies war bereits die zweite Tagung gemeinsam mit dem Ex-In-Verein und Petra Lauer und Andreas Jung wiesen in ihrer Begrüßung nicht ohne Stolz auf die kontinuierliche trialogische Zusammenarbeit in der Vorbereitung hin.
Die Moderation des Tages wurde von Jana Hauschild aus Berlin übernommen. Die Journalistin hatte Anfang des Jahres ein Buch herausgegeben, daß sich mit dem Thema der Rolle der Geschwister psychisch erkrankter Familienmitglieder beschäftigt.
 
PD Dr. Markus Kösters aus Günzburg konnte den Teilnehmern die Grundsätze der S 3 Leitlinien anschaulich darstellen und präsentierte auch eine Untersuchung der Umsetzung. Dabei wurden mehre Punkte, neben der Komplexität der Forschung dazu, deutlich:

-    Es gibt viele Hinweise für unzureichende Leitlinienumsetzungen
-    Wissen über die Erfolge einer Leitlinienimplementierung ist sehr begrenzt
-    Inanspruchnahme psychosozialer Therapien erscheint derzeit von Evidenz und Leitlinienempfehlung unabhängig

Im Plenum wurden anschließend noch einmal die geringe Umsetzung von unterstützter Beschäftigung und die unterschiedliche Bewertung von Patient/inn/en für ambulante multiprofessionelle Teams und die geringe Umsetzung in der Praxis diskutiert.

PDF Marburg Leitlinienumsetzung

Im Anschluss stellte Lea Beckmann (Gesellschaft für Freiheitsrechte, Berlin) die aktuelle Rechtsprechung und Diskussion zum Thema Zwang vor:
Der Vortrag umfasste die Begriffsklärung „Was ist Zwang?“, die Rechtsgrundlagen für Zwang im deutschen Recht, menschenrechtliche Vorgaben (UN-BRK) und die aktuellste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.
In der angeregten und kontroversen Diskussion wurde die ganze Bandbreite der Problematik zwischen Praxis und gesetzlichen Vorgaben deutlich.

PDF Beckmann DGSP Tagung

Dieter Schax, Geschäftsführer des Rehavereins psychisch Kranker aus Mönchengladbach und Vorstandsmitglied der Bundesarbeitsgemeinschaft gemeindepsychiatrischer Verbünde, spannte den Bogen von den eher stationären klinischen Aspekten zur Versorgung in der Gemeinde.
Er stellte das Projekt des Bundesministeriums für Gesundheit zur Vermeidung von Zwangsmaßnahmen im psychiatrischen Hilfesystem vor. Der Bericht ist fertiggestellt und wird im Spätherbst der Öffentlichkeit präsentiert. Dabei haben sich unterschiedliche Regionen (z.B. Mönchengladbach) mit dem Thema insbesondere im Hinblick auf die vernetzte gemeindepsychiatrische Versorgung intensiv beschäftigt. Dieter Schax berichtet hierbei von Menschen, die aufgrund komplexer Problemlagen häufig nicht mehr im üblichen Versorgungspektrum unterstützt werden können und nicht selten dann in anderen Regionen oder geschlossenen Systemen landen. Um die Verantwortung regional auch weiter zu übernehmen, wurde eine spezielle Hilfeplankonferenz installiert, die nach Lösungen sucht. In seinem Vortrag berichtet er auch von ersten Ergebnissen aus den Regionen.

PDF Präsentation Marburg

Nach der Mittagspause, in der angeregt und intensiv diskutiert wurde, stellte PD Dr. Stephan Debus von der Medizinischen Hochschule Hannover hochinteressante Untersuchungen über die Abläufe und Spiralen beim Thema Zwang vor. „Psychiatrie ohne Zwang und Gewalt – Weder Utopie noch Realität!“ lautete die provokante These. Er untersucht und rekonstruiert interaktive und kommunikative Prozesse der Zwangsbehandlung. Gemeinsam mit Beschäftigten versucht Stephan Debus diese Prozesse transparent zu machen und andere Strategien zu entwickeln, wie mit Sprache, Gesten und situativen Konstellationen Alternativen gefunden werden können. Die DGSP hat aus diesem Grund einen neuen Fachausschuss "Netzwerk: Psychiatrie ohne Gewalt" ins Leben gerufen, der diese Forschung und Fortbildung weiter vorantreiben wird.

Vortrag Marburg Für HGSP

Jana Hauschild leitete nach dem Vortrag direkt weiter zu einem Podiumsgespräch mit Dr. Robert Bittner (Stv. Direktor, Uniklinikum Frankfurt/M.), Kolja Heumann (Wissenschaftler, Hannover),    Andreas Jung (Vors. Ex-In-Hessen, Marburg), Christina Leue (Dipl.-Pflegewirtin, Gesundheitszentrum Wetterau, Friedberg) und Gisela Petersen (Vors. Angehörigenverein psychisch Kranker, Darmstadt).
Einigkeit herrschte beim Thema, dass Zwangsmaßnahmen reduziert werden müssen und hierzu verschiedene Maßnahmen ergriffen werden sollen. Spannend wurde die Diskussion, als es um die jüngste Berichterstattung des HR bzgl. hessischer Kliniken und der Versorgung in der Uniklinik Frankfurt ging. Robert Bittner stellte klar, dass durch das sehr starke Wachstum der Bevölkerung von Frankfurt/M. auch der Belegungsdruck auf die Klinik zugenommen habe. Obwohl die Uniklinik personell noch ganz gut ausgestattet sei, sei Bereich nun zu klein ausgelegt und auch baulich sei man auf eine moderne psychiatrische Versorgung nicht gerichtet. Die Berichterstattung habe nun aber auch bewirkt, dass Geld für neue bauliche Maßnahmen bereitgestellt werden. Das wird natürlich kurzfristig nicht helfen. Er sieht die angstmachende Berichterstattung kritisch, da Menschen die stationäre psychiatrische Hilfe suchten, diese u.U. zu spät oder gar nicht in Anspruch nehmen.
In der Runde wurde der sehr schleppende Ausbau ambulanter vernetzter multiprofessioneller „Vor-Ort-Versorgung“ bemängelt. Kolja Heumann stellte noch einmal die einschlägigen Ergebnisse der Befragung Betroffener und von Pflegekräften dar und Christina Leue bekräftigte, dass der Faktor Zeit und bedürfnisangepasste Behandlung unterschätzt werde. Es werde ein negativer Entlassungsdruck aufgebaut. Gisela Petersen mahnte noch einmal einen wirklich respektvollen Umgang mit den Angehörigen an. Zu häufig würden mit dem Hinweis auf Datenschutz Angehörige aus der Behandlung ausgegrenzt. Andreas Jung wies sehr nachdrücklich darauf hin, dass die neuen Instanzen für Patientenrechte auch unbedingt genutzt werden müssen, den Prozess von Transparenz und Augenhöhe in der psychiatrischen und psychosozialen Versorgung weiter zu entwickeln. Es schloss sich eine angeregte Diskussion mit dem Plenum an.

Bericht: Constantin v. Gatterburg

Fachtagung zum Thema Patientenrechte:

Fachtagung 2019

Menschenrechte in der psychiatrischen Versorgung
Umsetzung leitliniengerechter Behandlung und Therapie in der Psychiatrie: Die aktuelle Situation
Den Blick beim Thema Zwang erweitern
Text Tagung Marburg
Vortrag Marburg Für HGSP